Donnerstag, 25. Februar 2016

Schnipp, schnapp, Haare ab!

Jetzt muss ich hier doch auch berichten, was heute hier auf einmal los war. Ganz normal war ich vormittags im Kindergarten und nachmittags habe ich mit den Kindern gelernt. Plötzlich kam aber auf einmal Unruhe auf, irgendjemand ist mit dem Roller gekommen und einige Minuten später folgte ein Auto. Die Kinder packten zusammen und wussten aber auch nicht so recht, wer da kommt. 
Aus dem Auto stiegen einige indonesische Frauen und Männer, top modern gestylt und mit Taschen bewaffnet. Eine Frau erkannte ich; sie betreibt mit ihrer Familie ein indonesisches Restaurant in Dili, welches manchmal Geld oder Essen an das Orphanato spendet. Sie ist verantwortlich dafür, dass ein ganzes Friseurteam heute hier aufschlug. Umsonst sollte den Kindern die Haare geschnitten werden, was ich an sich eine sehr gute Idee finde! Nichts gegen die Haarschnitte der Schwestern, aber manchmal habe ich schon das Gefühl, sie probieren aus, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Und naja, meistens finde ich das Ergebnis nicht wirklich gelungen…
Meine Haare sollten auch geschnitten werden, aber hauptsächlich wollten die Friseure meine blonden Haare schneiden. Sie fragten, ob ich ein Model sei und die Haare echt sind! Das war schon etwas Besonderes für sie. Außerdem haben sich die Schwestern bisher immer geweigert meine Haare zu schneiden, weil sie einfach zu „schön“ sind und so kam mir die Gelegenheit heute sehr recht.
Vor der Haustür wurden drei Stühle aufgestellt und dann den Umhang angezogen und los ging es. Erstaunlich schnell war alles erledigt. Eine Geldspende wurde noch an das Orphanato überreicht und nachdem einige Fotos gemacht wurden und versprochen wurde, dass die Friseure bald wieder kommen, war die Friseurstunde auch schon zu Ende. 

Manchmal passieren hier wirklich witzige Dinge, mit denen einfach niemand rechnet. Aber das sind auch immer sehr schöne und besondere Momente für die Kinder. Die Kleinste hat sich gar nicht getraut, hing die ganze Zeit an meinem Arm und ich habe gespürt, wie ihr Herz raste. Doch sie traute sich dann doch und merkte: es tut ja gar nicht weh! Eigentlich ist es nicht ihr erstes Mal gewesen…

Liebe Grüße in die Heimat!

Eure Laura





Donnerstag, 11. Februar 2016

Eh, Foho Ramelau...

Kaum zu glauben: es ist Halbzeit für mich in Timor und darum fand letzte Woche auch unser Zwischenseminar hier in Dili statt. Im Anschluss an das erfolgreiche Seminar bot sich mir die Gelegenheit mit den beiden Freiwilligen Leonie und Janila von Misereor aus Baucau über das Wochenende in die Berge zu fahren und den Foho Ramelau, Timors höchster und zudem heiliger Berg mit 2963m, gemeinsam zu besteigen.  
Wie ich mittlerweile mein Timor kennengelernt habe, sollte ich auch dieses Mal abwarten, bis es wirklich los ging. Eine Freundin namens Betty aus Baucau sollte mitkommen und ein Freund, von ihr, Sintu,  der die Route auf den Berg kennt. Dieser sagte jedoch am Morgen des Abenteuers ab, dann wieder zu, dann wieder ab und dann doch wieder zu. Ihr seht: vertraue nie zu 100% den Aussagen der Einheimischen, aber nachdem Betty ordentlich gedroht hatte hielt er sein Wort und Freitag gegen neun Uhr machten wir Mädels uns auf den Weg zur Kathedrale mit dem Microlet. Dort ist der Sitz des Vereins „Juventude Hadomi Natureza“ (Jugend, die die Natur liebt), welcher unter anderem Kletter-und Wanderausflüge und Kurse dafür anbietet. Janila, Betty und Sintu machten sich auf den Weg zum Supermarkt, um genug Essen für das Wochenende einzukaufen und Leonie und ich warteten und unterhielten uns so lange mit den anderen Bergführern. 

Die Einkäufe verteilen



Alles in den großen Rucksäcken verstaut machten wir uns dann mit dem Taxi auf zu einem zentralen Platz für Busse, die in die Berge fahren. Nach zwei Stunden kam dann auch ein Bus, der nach Suai fuhr und uns bis Maubisse mitnehmen konnte und nach weiteren zwei Stunden Fahrt durch Dili, um weitere Fahrgäste einzusammeln, ging es dann wirklich los. Es fing an zu regnen. Eigentlich eine dumme Idee in der Regenzeit den Ramelau besteigen zu wollen, aber diese Gelegenheit ergibt sich einfach nicht immer und ohne Bergführer oder Ortskundigen hat man definitiv kaum eine Chance oben anzukommen. Es regnete und umso höher wir in die Berge kamen, umso kälter wurde es und zum ersten Mal machten wir uns Gedanken, wo wir denn eigentlich die Nacht verbringen werden. Die abschüssige Straße, die nur aus festgefahrener Erde bestand, wurde mit dem Regen zu einer rutschigen und sehr gefährlichen Angelegenheit. In regelmäßigen Abständen  öffneten sich die Fenster des Busses und die Einheimischen übergaben sich, was wirklich für die Zustände der Straße sprach. 

Mit dem Bus in die Berge



Gegen 19.30 Uhr kamen wir am Ausgangspunkt unserer Wanderung an. Verlassen im Stockdunkeln standen wir an der Straße, verpackten die Rucksäcke regendicht, denn es schüttete ziemlich stark. Ausgestattet mit Stirnlampen liefen wir los, laut Sintu ein oder zwei Stunden (was er vorher auch nicht verraten hatte). Doch auch nach drei Stunden durch die Dunkelheit, die Nässe und Einsamkeit auf schlechter Straße kamen wir dem Ende noch nicht nah. Ein gelber Kipplaster rettete uns, der uns dann anderthalb Stunden unter einer Plastikplane mitnahm und uns einiges an Laufzeit ersparte. Doch total durchnässt und ohne Bewegung wurde uns ziemlich schnell sehr kalt. Um Mitternacht ließ uns der Fahrer absteigen, mitten im Nirgendwo! Ich glaube, mir war noch nie so kalt wie in diesem Moment und ich bekam wirklich Angst, wo wir die Nacht verbringen sollten. Geplant war die Übernachtung in einem Haus des Vereins im Ort Hato-Builico am Fuße des Ramelaus. Doch da unser Bergführer in der Dunkelheit (und er war bisher auch noch nie allein auf dem Ramelau, was er uns in diesem Moment sagte!) die Abzweigung in das Dorf nicht fand, irrten wir weiter umher. Wir liefen den Weg wieder zurück und wieder abwärts und nach anderthalb Stunden Umherirren blieb Sintu stehen und sagte: hier werden wir schlafen. Auf einer Wiese? Ohne Dach? Mitten im Regen? Bei dieser Kälte??? Nein, denn Sintu hatte ein drei-Mann-Zelt dabei, in welchem wir zu fünft die Nacht verbrachten. Aus kulturellen Gründen wollte Sintu nicht mit uns Frauen im Zelt schlafen, sondern die Nacht über wach bleiben. Das konnten wir ihm aber zum Glück ausreden. Die Nacht war unbarmherzig kalt, denn ohne Isomatten zog die Kälte ungehindert von unten in unsere Körper. Viel später als geplant, um vier Uhr stand Sintu auf, um Tee, Reis und Gemüse, Fisch aus der Dose und Eier fürs Frühstück zu kochen. 

Da, wo wir am Morgen aufwachten und frühstückten






Gegen sieben Uhr machten wir uns auf in Richtung Ramelau, den wir in der Morgensonne zum ersten Mal sehen konnten. 

Erster Blick auf den Ramelau



Auf dem Weg ins Tal und in das Dorf Hato-Builico folgten uns viele Menschen, die schwer beladen ihre Waren ins Dorf schleppten oder Kinder, die zur Schule mussten. Gute anderthalb Stunden dauerte der Abstieg, der von der Umgebung her an eine Wanderung in den Alpen erinnerte. Alles war grün, was definitiv die schöne Seite der Regenzeit ist. Durch das kleine Dorf gelangten wir schnell und dann begann der Aufstieg zum Ramelau. Es wurde heiß, denn die Sonne stach vom Himmel und die schweren Rucksäcke machten den Aufstieg anstrengend. 

Abstieg ins Tal









Gegen Mittag kamen wir am Tor zum Nationalpark an, wo wir kurze Rast einlegten, Bilder machten und die Hymne des Ramelaus sangen. Der Ramelau ist nicht nur der höchste Berg der Insel und des Landes, sondern er ist zudem auch heilig. Oben auf dem Gipfel steht eine ungefähr drei Meter hohe Marienstatue, die mit dem Berg Schutzpatron des Landes Timor-Lestes ist. 

Aufstieg zum Ramelau und Tor zum Nationalpark







Durch das Tor ging es weiter steil hinauf und die Vegetation veränderte sich wegen der großen Höhe. Es wurde kalt und da viele Wolken aus dem Tal aufstiegen fing es auch wieder an zu regnen. Die Nacht sollten wir in einer Kapelle verbringen, die wir auch am späten Nachmittag total erschöpft erreichten. Es handelte sich um eine traditionelle Kapelle ganz aus Holz, denn eine Straße, um Baumaterial zum Gipfel zu schaffen, gibt es nicht. Im Innenraum befand sich zu unserer Begeisterung eine Feuerstelle, die wir auch gleich nutzen. Wir kochten Nudeln, Reis, Gemüse und Tee, denn seit dem Frühstück hatten wir auch nichts mehr gegessen außer Unmengen an Schokoriegeln. Ich kann nur sagen: es hat köstlich geschmeckt! Langsam zog der nasse Regen durch die vielen Ritzen der Kapelle und stellte keine guten Aussichten auf erholenden Schlaf. Kurzerhand stellten wir das Zelt im Innenraum der Kapelle auf. 

Wild wachsende Gladiolen aus dem Nationalpark (!) gepflückt,
für die heilige Maria auf dem Berggipfel


Unsere Herberger für eine Nacht: die traditionelle Kapelle, unser Bergführer, dem auch auf fast 3.000m noch nicht kalt war und unser Schlafplatz





Um Mitternacht und nach vier Stunden Schlaf waren wir alle wach, weil es so abartig kalt war. Am neu angezündeten Feuer wärmten wir uns und als einzige legte ich mich zurück ins Zelt, schnappte mir die Decken der anderen und konnte somit noch ein paar Stunden Schlaf bekommen bis um vier Uhr, während die anderen wach blieben.
Um vier Uhr hieß es aufstehen, frühstücken und zusammenpacken. Und dann begann der Aufstieg zum Gipfel durch die schon bekannte Dunkelheit mit Stirnlampen. Pünktlich zum Sonnenaufgang (was unser Ziel war) kamen wir oben an und konnten den gigantischen Sonnenaufgang und das Erwachen des Landes von oben miterleben. Überglücklich unser Ziel erreicht zu haben ließ sich die Kälte auch in den Decken aushalten und gegen sieben Uhr begannen wir den Abstieg. 

Geschafft!









In einem rasanten Tempo und nur anderthalb Stunden standen wir im Dorf Hato-Builico! Die Knie schmerzten, denn Wanderschuhe hat niemand von uns als Ausrüstung Freiwilliger dabei, Betty sogar nur in Flip Flops. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tals stiegen wir wieder auf und dann begann der Weg zurück zum Ausgangspunkt, den wir ja nur im Dunkeln erlebt hatten. Eine unwegsame Straße führt durch die Berge und das in vier Stunden. Unbarmherzig stach die Sonne vom Himmel und erschwerte die Wanderung wieder ins andere Extrem. 



Unterwegs nahm uns glücklicherweise in Pick-Up auf seiner Ladefläche ungefähr 15 Minuten lang mit, ersparte uns aber  mindestens weitere anderthalb Stunden Laufzeit! Und so kamen wir am Nachmittag auf der Straße an, auf der die Busse nach Dili verkehren. Bei Tageslicht sah man auch das Schild: bis Hato-Builico 18km! 



Und dann zusätzlich den Aufstieg auf den fast 3000der. Alles schmerzte, aber wir konnten etwas verschnaufen während wir auf den Bus oder etwas Ähnliches warteten. Ein Gefährt mit Ladefläche und zwei Holzbäcken kam irgendwann vorbei und nahm uns für jeweils vier Dollar zurück mit nach Dili. Über fünf Stunden dauerte die Fahrt, auf der es wieder anfing zu regnen und klitschnass wie wir wieder waren, wurde es wieder sehr unangenehm kalt. Außerdem waren die Holzbänke alles andere als bequem. Gegen 19.00 Uhr kamen wir in Dili an und fuhren mit dem Taxi zum Sitz des Vereins. Von dort fuhren uns netterweise ein paar Guides mit ihren Rollen nach Hause ins Orphanato.

Wir hatten also Microlet, Taxi, Bus, Kipplaster, Pick-Up, anderes Gefährt mit Ladefläche und Roller. Sprich so ziemlich alles, was man in Osttimor als gängige Fahrzeuge vorfindet.
Wir hatten zwei Temperaturextreme sowie unbarmherzig stechende Sonne und beängstigend kalten Regen.
Einen fetten Sonnenbrand, doch zum Glück noch keine Erkältung. Eine Nacht im Zelt und eine Nacht in einer Kapelle.
Wir hatten drei Tage lang keine Dusche und unsere Kleidung stank nach Rauch vom Feuer und Schweiß.
Drei Tage lang keinen Handyempfang (was nicht schlimm war, aber der Gedanke, uns könnte etwas zustoßen, beunruhigte ohne das Handy für den Notfall).

Alles in allem ein einmaliges Erlebnis, vielleicht auch das größte in meinem ganzen Jahr und vor allem bin ich stolz, den heiligen Berg des Landes gemeistert zu haben!



Hier noch die Hymne für den Foho Ramele (Foho = Berg):

EH, FOHO RAMELAU
FOHO RAMELAU
SABE AS LIU O TUTUN
SABE BEM LIU O LOLON EH! (2x)

TAN SA TIMOR OAN SUDUR WAWAIN?
TAN SA TIMOR OAN ATAN WAIWAIN?
TAN SA TIMOR OAN KAKRUK BEIBEIK?
TAN SA TIMOR OAN ATAN BEIBEIK?

HADER RAI HUN MUTIN ONA LA
HADER LORON FOUN SAE ONA LA!

LOKE MATAN LORON FOUN TOÓ IHA OKNUA
LOKE MATAN LORON FOUN IHA ITA NIA RAIN

HADER KAÉR RASIK KUDA TALIN EH
HADER UKUN RASIK ITA RAIN EH!




Vielleicht auch noch interessant, was in meinem Rucksack alles drin war:
-          Ca. 1Kg Kartoffeln und Karotten
-          2 Hand voll grüne Bohnen
-          3 Packungen Instantnudeln
-          Ungefähr 25 Schokoriegel
-          Flip Flops
-          Socken und Unterwäsche
-          2 T-Shirts
-          Unterhemd
-          1 langärmeliges T-Shirt
-          Ein dicker Pulli
-          Eine Fleecejacke von Lisa
-          1 sehr dicker Wollpullover von einer Schwester
-          Eine gefütterte Regenjacke einer Schwester
-          Schal
-          Bettdeckenbezug
-          Hüttenschlafsack
-          Dünne Bettdecke
-          Zahnbürste und Haarbürste
-          Handtuch
-          Wasserflaschen
-          Akku, Handy, Kamera